Schach-Quiz

Mal etwas anderes… mit den Worten von Frank Drill:

„Ich hatte vor längerer Zeit mal angedeutet, ein historisches Schach-Quiz zu verfassen. Jetzt habe ich mich aufgerafft, den Text digital zu Papier zu bringen.

Vom Aufbau her ist es – im Rahmen meiner bescheidenen schriftstellerischen Möglichkeiten – an historische Schachquiz[ze] in der „Süddeutschen Zeitung“ (Tratschke fragt: Wer war’s?) und im periodisch erscheinenden Geschichtsmagazin „Damals“ angelehnt, nur eben mit Schach-Bezug.

So viel vorneweg: Es wird nach drei Personen und nach einer Stadt gefragt…“

 

Historisches Schach-Quiz: Die erste Begegnung

Vergeblich wartete X an diesem Nachmittag im Palast der Pioniere auf den zur Belohnung ausgesetzten Kleinkuchen. Kurz zuvor hatte sein Schachtrainer Z die Übungseinheit der Nachwuchsschachspieler für beendet erklärt, die 10-12jährigen Strategen seiner Sektion waren – Papier und Bleistift unterm Arm geklemmt – die große Treppe Richtung Ausgang heruntergehüpft. Dem freien Spielen vorausgegangen waren Testaufgaben, in denen die Kids die richtige Lösung samt Begründung auf ein Stück Papier schreiben und bei Z abzugeben hatten. Wer alle Aufgaben richtig gelöst hatte (was äußerst selten vorkam, da die Positionen durchaus komplex waren), dem versprach Z zur Belohnung ein paar Süßigkeiten. In Ausnahmefällen war sogar ein Stück Kuchen drin, dessen Wert angesichts der bis vor Kurzem grassierenden großen Hungersnot in der Stadt gar nicht hoch genug eingeschätzt werden konnte.
Der kleine X war noch im Übungsraum geblieben in Erwartung, dass Z seine Tasche öffnet, um etwas Essbares herauszuholen. Doch der Schachtrainer hatte etwas gänzlich anderes im Sinn: „Du bist der Jüngste in meiner Gruppe und trotzdem mit Abstand der Beste“, eröffnete er die kurze Ansprache und klopfte dem Kleinen anerkennend auf die Schulter: „Anbieten möchte ich Dir daher, heute an einem Simultan teilzunehmen, dass in einer halben Stunde im Pavillon am Fluss beginnt. Einer meiner älteren Schüler, der 16jährige Y, wurde vom Sportkomitee beauftragt, gegen 20 erwachsene Gegner gleichzeitig zu spielen. Du solltest Dir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen!“
Der kleine X war sofort Feuer und Flamme. Zwar kannte er Y und dessen schachliche Erfolge nur vom Hörensagen, doch die Aussicht, direkt am Brett eine komplette Partie gegen einen Meisterspieler absolvieren zu dürfen, motivierte ihn ungemein. Auch sein Trainer Z hatte die Hoffnung, dass die direkte Auseinandersetzung gegen den kompromisslosen Kämpfer Y dem Kleinen in dessen schachlicher Entwicklung von Nutzen sein könnte. Die anfänglichen Bedenken, die in erster Linie den widerspenstigen Charakter des pubertierenden Y und dessen Hang zur Arroganz zum Inhalt hatten, stellte Z hintenan. Da er X bis zum Pavillon begleitete, kann er ja notfalls einschreiten und den selbstbewussten Halbwüchsigen zur Raison bringen.
Der längere Spaziergang zur Stätte des Simultanspiels, vorbei am großen Palais, an dem erst vor dreißig Jahren ein epochales Ereignis eingetreten war, verging wie im Flug. Obwohl sich Z und X beeilt hatten, kamen sie knapp zehn Minuten zu spät – das Simultan an den 20 Brettern hatte bereits begonnen.
Raschen Schrittes war Y durch die Reihen seiner ausnahmslos erwachsenen Widersacher getigert, die alle gegenüber dem Sportkomitee einen Leistungsnachweis hatten erbringen müssen, um überhaupt am Simultan teilnehmen zu dürfen. Als Y den Z erblickte, hielt er kurz inne, um seinem Trainer zu begrüßen. Letzterer kam gleich zur Sache: „Ich habe dem Kleinen versprochen, dass er heute mitspielen darf. Sei so gut und erlaube ihm, dass er dahinten noch ein Brett aufbaut.“
Doch mit seinem Ansinnen hatte der erfahrene Schachtrainer die Rechnung ohne den Y gemacht: „Klar kann ich auch gegen 21 Gegner gleichzeitig spielen. Aber warum tust Du mir den kleinen Bengel vorsetzen? Ich will Gegner und keine Opfer!“
Nachdem auch der Einwand von Z, dass X trotz seines jungen Alters und seiner geringen Körpergröße durchaus mit den Fertigkeiten des königlichen Spiels gut vertraut sei, nichts fruchteten, entschied sich der Trainer, gegenüber dem Y andere Seiten aufzuziehen: „Wenn Du weiter Stress machst, sehe ich mich gezwungen, dem Sportkomitee Meldung zu machen. Du bist dort schon öfters unangenehm aufgefallen, die Einladung zu Turnieren kannst Du Dir dann für die Zukunft abschminken!“
Obwohl tief gekränkt, gegen einen Knirps Schach spielen zu müssen, sah sich Y gezwungen einzulenken. Daß er X nicht als Seinesgleichen anerkannte, bekam der Kleine sofort nach dem Aufbau der Figuren in die Grundstellung zu spüren. Bevor es – räumlich leicht abgetrennt von den übrigen Brettern – an Brett 21 los ging, stellte der 16jährige klar: „Gegen Dich zu spielen, ist für mich keine Herausforderung. Sage mir deinen Zug und ich werde sofort antworten, ohne aufs Brett zu schauen.“
Gesagt – getan. Das kombinierte Simultan & Blindsimultan – Event, in dem Y an 20 Brettern sehenden Auges agierte und Brett 21 „blind“ abfertigte, nahm seinen Fortgang. Der sichtlich eingeschüchterte X entschied sich für die „Französische Verteidigung“ (1. e4 e6 2. d4 d5), fiel aber einem schnellen Königsangriff zum Opfer, da er das klassische Läuferopfer auf h7 nicht kannte. Diese Partie – obwohl als Letztes begonnen – war die erste, die beendet war.
Nachdem X den König umgeworfen hatte, bekam er von Y noch den Spruch reingedrückt, der sinngemäß lautete, dass X jegliche Befähigung für das Schachspiel abgehe und er – Y – hoffe, nie wieder gegen ihn antreten zu müssen.
Das zuletzt Gesagte war endgültig zuviel. Der kleine X fing bitterlich an zu weinen, Tränen kullerten auf das von schwarzen Offizieren verwaiste 21. Brett. Dem überheblichen Y dämmerte nun offenbar, dass er mit seinen arroganten Attitüden überzogen hatte und versuchte, etwas tröstend auf den Besiegten einzuwirken: “ Wenn Du größer und stärker wirst, kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir in einigen Jahren nochmal gegeneinander spielen werden !“

Epilog: Z wurde ein landesweit anerkannter Schachtrainer, der in der schachlichen Entwicklung von X und Y eine wichtige Rolle spielte. Für Y sollte er über 20 Jahre als väterlicher Freund und Sekundant fungieren, während X sich einige Jahre nach der Pavillon-Begegnung von Z als Trainer trennte.
X und Y, die beide in der gleichen Stadt geboren wurden, avancierten zu Schach-Großmeistern von Weltruhm. Zwei Mal kam es in Kandidaten-Wettkämpfen kurz vor der Schwelle zum WM-Finale zur direkten Konfrontation, in der zunächst X und einige Jahre später Y die Oberhand behielt.
Im fortgeschrittenen Alter kam es zwischen X und Y, die sich über einen langen Zeitraum spinnefeind waren, zur Versöhnung. X und Y gelten neben einem dritten Schachspieler, der sogar den Weltmeistertitel errang, als die größten (schachlichen) Söhne dieser Stadt.
Obwohl längst fernab ihrer Geburtsstadt ansässig, lud die Universität besagter Stadt, in der X und Y seinerzeit ein Studium absolviert hatten, die beiden Protagonisten über 50 Jahre nach ihrer ersten Begegnung im Pavillon zu einem Freundschafts-Wettkampf ein, in der o.g. Anekdote im vollbesetzten Auditorium von X erzählt und von Y (der sich nur bruchstückhaft erinnern konnte) in Teilen bestätigt wurde. Dem Wettkampf im Auditorium beizuwohnen, war dem Z nicht mehr vergönnt gewesen.

FRAGE: Wer waren X,Y und Z und in welcher bedeutenden Stadt fand die erste Begegnung statt ?

(Die Zitate sind nicht wortwörtlich überliefert, aber sinngemäß richtig)
Frank Drill

 

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P.S. Das Passwort ist natürlich: 1979